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Ein Märchen mit System

Es war einmal zur Zeit t = 0 ein armer aber rechtschaffender Vierpol, namens Eddy Wirbelstrom. Er bewohnte einen kleinen, möblierten Hohlraum mit Di-elektrikum und fließend warmen und kalten Wechselfeldern. Während der kalten Jahreszeit musste er für die Erwärmung der Sperrschicht jedoch extra bezahlen. Seinen Lebensunterhalt bestritt er mit einer Verstärkerzucht auf einer Transistorbasis.
 
Eddy Wirbelstrom liebte mit der ganzen Kraft seiner Übertragungsfunktion Ionchen, die induktivste Spule im ganzen Kreis und Tochter der einflussreichen magnetischen Kraft.
Ihr remanenter Ferritkörper, ihre symmetrischen Netzintegrale und ihre überaus harmonischen Oberwellen beeinflussten selbst die Kapazität ausgedienter Leidner Flaschen, was viel heißen will!
 
Doch Ionchens Vater, Cosinus Phi, ein bekannter Industriemagnet und Leistungsfaktor, hatte bereits konkrete Schaltpläne für die Zukunft t = x seiner Tochter. Sie sollte nur einer anerkannten Kapazität mit ausgeprägtem Nennwert angeschlossen werden.
 
Doch wie so oft, während der Lebensdauer, der Zufallsbetrieb wollte es anders!
 
Als Ionchen zur Zeit t = 1 auf ihrem Picofarad vom Frisiersalon nach Hause fuhr, sie hatte sich die neuen Sinus-Stehwellen anlegen lassen, geriet ihr ein Sägezahn in die Filterkette. Doch Eddy Wirbelstrom, der die Gegend periodisch frequentierte, eilte mit minimaler Laufzeit hinzu und es gelang ihm, Ionchens Kippschwingung noch vor dem Maximum der Ampitude abzufangen und wieder gleichzurichten.
 
Es ist sicher nicht dem Zufall zuzuschreiben, dass sie sich schon zur Zeit t = 1 + Δt wiedersahen. Unter irgend einem Vorwand lud Eddy Wirbelstrom Ionchen zu einem Essen ins „Goldene Ringintegral“ ein. Doch das „Ringintegral“ war geschlossen. „Macht nichts“ sagte Ionchen, „ich habe zu Mittag fast zwei Kilohertz gegessen und die Sättigungsinduktion bis jetzt gehalten“. Darauf schlug Eddy eine Rundfahrt im Rotor vor, aber Ionchen lehnte ab: „Mir wird bei der zweiten Ableitung immer so übel“.
 
Und so unternahmen sie, ganz entgegen den Schaltplänen von Vater Cosinus Phi einen kleinen Frequenzgang ins nahegelegene Streufeld. Der Abend senkte sich über die komplexe Ebene und am Himmel erglänzten die Sternschaltungen. Die beiden genossen diese Isolation vom Getriebe der Welt. Nur ein einsamer Modulationsbrummer flog vorbei und leise plätscherten die elektromagnetischen Wellen ans Gestade.
 
Als sie an der Whetstone-Brücke angelangt waren, fasste Eddy seinen gesamten Durchgriff zusammen und emittierte: „Bei Gauß, mein Ionchen, Deine lose Rückkopplung hat es mir angetan!“. Der Inhalt dieser Nachricht durchströmte Ionchen und die Stunde der Ereignisse. Im Überschwang des jungen Glücks erreichten beide voll ausgesteuert die Endstufe.
 
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann schwingen sie noch heut.

Ionchen und Eddy Wirbelstrom

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